DER ROTWEIßROTE BINDENSCHILD
Entzündet von heiliger Glut,
Beflügelt von Eifer und Mut,
Drang über Ströme, Berg' und Meer
Das völkerreiche Christenheer,
Verschmachtend oft in Wüsteneien
Im fernen Sarazenenland,
Um schnell aus ungläubiger Hand
Das Grab des Heilands zu befreien.
Schon war Ptolemais *) bedrängt;
Die christliche Heerschar umfängt
Die hohen Mauern umher;
Ein Brausen wie das nahe Meer.
Und Sultan Saladin, verlassen
Vom Glück, das ihn sonst stets gekrönt,
Sieht sich vom Schicksal nun verhöhnt,
Kann weder Rat noch Hilfe fassen.
Zwar siegreich das Christenheer wallt,
Doch herrlich vor allen noch strahlt
Österreichs Herzog Leopold,
Jeder edlen Tugend hold;
Der Menschlichkeit den Mut verkündend,
Weht seine Fahne stets voran,
Den blut'gen Weg der Heldenbahn,
Dem Heere Glück und Sieg verkündend.
Schon wankt Ptolemais bestürmt,
Von Leichenhügeln umtürmt;
Allein mit der Verzweiflung Wut
Wächst auch der Sarazenen Mut,
Und auf den schon erstieg'nen Mauern
Beginnt ein neuer Todeskampf.
Heiß qualmt empor des Blutes Dampf,
Es weicht der Tag der Pfeile Schauern.
Umringt vom ungläubigen Troß
Steht Leopold, herrlich und groß;
Sein Schwert ein reger Himmelsstrahl,
Schlägt einen Feind mit jedem Fall.
Schon schwächer wird das Schlachtgebrülle;
Was lebt, sucht seinem Arm zu flieh'n,
Nur Leichenhügel sind um ihn.
Bald jauchzt der Sieg durch Totenstille.
Erhaben, ein Gott der Schlacht,
Prangt Leopolds glorreiche Macht,
Ernstblickend auf der Leichen Kreis.
Sein Waffenrock, noch glänzend weiß,
Doch nun ein hehres Siegeszeichen,
Getränket in der Feinde Blut,
Strahlt auf in hoher Purpurglut,
Wie Morgenrot auf See und Teichen.
Jetzt löst er Gürtel und Schwert;
"Gelobet sei Gott und geehrt!"
So ruft er tief gerührt und senkt
Den Stahl vor dem, der alles lenkt.
Und sieh: wie rot sein Kleid auch glühte,
Da, wo der Gürtel ihn bedeckt,
Dem nah' das edle Herz ihm schlägt,
Strahlt's schneeweiß um des Leibes Mitte.
"Seid ewig ihr Farben im Schild,
Und bleibt der Gerechtigkeit Bild
In Öst'reichs Wappen immerfort!"
So tönte Heinrichs Kaiserwort.
"Umströmt euch gleich der Feinde Blut,
Ihr ehret Gott und bleibet gut!
D'rum leuchte, wie der Tugend Kranz,
Im Rot der weißen Farbe Glanz."
(Aus: Österreichs Hort. - Wien 1908)
*) Antiker Name von Akkon
Anmerkung von Walter Zitzenbacher: Nach der Eroberung Jerusalems durch Sultan Saladin im Jahr 1187 rief Kaiser Friedrich Barbarossa zu einem großen Kreuzzug auf, der im ganzen Abendland ein lebhaftes Echo fand. In Deutschland wirkten vor allem die mitreißenden Predigten Gottfrieds von Würzburg. Auch Herzog Leopold V., der Tugendhafte, nahm das Kreuz. Mit Rittern aus Österreich und der Steiermark wählte er den Weg über Italien und von dort auf Schiffen an die syrische Küste. Fast gleichzeitig mit ihm trafen König Richard Löwenherz von England und König Philipp von Frankreich dort ein, nicht aber der Kaiser, der den Landweg gewählt hatte und im reißenden Fluß Salpeh in Kilikien ertrunken war. Das Kreuzfahrerheer belagerte zunächst die hartnäckig verteidigte Hafenstadt Akkon. Mehr als hundert kleinere Kämpfe und neun Schlachten wurden um den Besitz dieser Festung geliefert. Im Juli 1191 konnten die Christen endlich in die gegen freien Abzug von den Verteidigern übergebene Stadt einziehen. Legendär geworden ist dabei der Angriff, den der Babenbergerherzog Leopold geführt haben soll: Sein weißer Waffenrock war bis auf einen breiten, vom Gürtel geschützten Streifen so mit Feindesblut bespritzt, daß er als rotweißrote Fahne verwendet werden konnte, nachdem Richard Löwenherz die alte Fahne des Babenbergers entehrt hatte. Tatsächlich aber scheint der rotweißrote Bindenschild erstmals unter Herzog Leopolds Enkel, Friedrich II., dem Streitbaren, als Wappen der Babenberger auf.
Quelle: Walter Zitzenbacher, Österreich Historische Legenden, Innsbruck 1978, S. 43
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