Texte und Dichter

Gespräche bei Wein, Weib und Gesang
Wilhelm von Baumgarten
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Re: Texte und Dichter

Beitrag von Wilhelm von Baumgarten » Mi Jul 04, 2018 12:18 pm

Ich wil gesehen, die ich von kinde

1.
Ich wil gesehen, die ich von kinde
her geminnet hân für elliu wîp.
und ist, daz ich genâde finde,
sô gesach ich nie sô guoten lîp.
obe aber ich ir wære
vil gar unmære,
sô ist si doch, diu tugende nie verlie.
fröide und sumer ist noch allez hie!

2.
Ich hân alsô her gerungen,
daz vil trûreclîche stuont mîn leben.
dicke hân ich »wê« gesungen,
dem will ich vil schiere ein ende geben.
»wol mich«, singe ich gerne,
swenne ichz gelerne.
des ist zît, wan ich gesanc sô nie.
fröide unde sumer ist noch allez hie!

~0~0~0~0~

1.
Ich will die sehen, die ich von Kindheit an
geliebt habe vor allen anderen Frauen.
Und geschiet es, daß ich erhört werde,
wäre ich nie einer so liebenswürdigen Frau begegnet.
Wenn ich ihr aber
völlig gleichgültig wäre,
bleibt sie doch (für mich) die ständig Tugendhafte.
Freude und Sommer sind noch immer da!

2.
Ich habe bisher mich so abgequält,
daß mein Leben ungemein traurig verlief.
Oft habe ich »Weh mir« gesungen,
das soll nun schnellstens vorbei sein.
»Wohl mir«, will ich mit Freuden singen,
wann immer ich es noch lerne.
Zeit dazu ist es, denn ich habe es bisher versäumt!
Freude und Sommer sind noch immer da!

~0~0~0~0~
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Re: Texte und Dichter

Beitrag von Wilhelm von Baumgarten » Mi Jul 04, 2018 12:19 pm

Ich unde ein wîp
1.
Ich unde ein wîp, wir haben gestriten
nu vil mange zît.
ich hân vil leides von ir zorne erliten.
noch heldet si den strît.
nu wænet si dur daz ich var
daz ich si lâze frî.
got vor der helle niemer mich bewar,
ob daz mîn wille sî.
swie vil daz mer und ouch die starken ünde toben,
ichn will si niemer tac verloben.
der donreslege möhte ab lîhte sîn
dâ si mich dur lieze.
nu sprechet wes si wider mich genieze.
si kumt mir niemer tac ûz den gedanken mîn.

2.
Ob ich si iemer mêre gesehe,
desn weiz ich niht für wâr.
dâ bî geloube mir, swes ich ir jehe,
ez gêt von herzen gar.
ich minne si vür alliu wîp
und swer ir des bî gote.
alle mîne sinne und ouch der lîp
daz stêt in ir gebote.
in erwache niemer ez ensî mîn êrste segen
daz got ir êren müeze pflegen
und lâze ir lîp mit lobe hie gestên.
dar nâch êweclîche
du gip ir, herre, vröide in dîme rîche,
daz ir geschehe alsô, als müeze ouch mir ergên.


1.
Ich und eine Frau, wir haben
nun lange Zeit gestritten.
Ich habe viel an Leid durch ihren Zorn erfahren;
noch führt den Streit sie fort.
Nun hofft sie, wegen meiner Fahrt,
daß ich sie freilasse.
Gott soll mich von der Hölle nicht erretten,
wenn das mein Wille ist.
Wie sehr das Meer und seine starken Fluten toben,
ich will sie keinen einzigen Tag aufgeben.
Doch dürften da leicht Donnerschläge sein,
durch die sie mich verließe.
Nun sagt, was sie damit an mir erreicht?
Sie kommt mir keinen Tag aus meinen Gedanken.

2.
Ob ich sie jemals wiedersehe,
das weiß ich wahrlich nicht.
Darum glaube sie mir: was immer ich gestehe,
es kommt ganz von Herzen.
Ich liebe sie vor allen Frauen
und schwöre ihr es zu bei Gott.
Mein ganzer Sinn und mein Leben
steht in ihrem Gebot.
Ich wache niemals auf, daß nicht mein erster Segenswunsch sei,
Gott möge für ihr Lob sorgen
und lasse sie in Ehren hier bestehn.
Darauf in Ewigkeit
gib ihr du, Herr, Freude in deinem Reich,
daß ihr so geschehe, wie es auch mir ergehen möge.
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Re: Texte und Dichter

Beitrag von Wilhelm von Baumgarten » Fr Jul 13, 2018 1:13 pm

Heinrich von Rugge:

Von einem miles Heinricus de Rugge, Ministeriale der Pfalzgrafen von Tübingen, der zwischen 1175 und 1191 verschiedene Male in Urkunden erwähnt wird, überliefert eine am Ende des 12. Jahrhunderts geschriebene Handschrift aus Benediktbeuren (jetzt Staatsbibliothek München, Codes latinus Monacensis 4570) einen Kreuzleich inmitten lateinisch religiöser Prosa. Die fast zeitgenössische Niederschrift des Leichs ist einer der wenigen Glücksfälle in der Überlieferung des deutschen Minnesangs, der uns gestattet, über die aus antiquarischem Sammeleifer mehr als ein Jahrhundert nach der Blütezeit der höfischen Minnedichtung zusammengetragenen Liederhandschriften hinaus vorzudringen. Die in den Liederhandschriften aufgenommenen Strophen unter dem Namen H.s sind dagegen in ihrer Echtheit stark umstritten, da sie fast alle auch noch unter anderen Autorennamen überliefert werden (Liutold von Seven, Friedrich von Hausen, ein sonst unbekannter Heinrich der rîche und vor allem →Reinmar der Alte). Gegen den letzten Herausgeber von Minnesangs Frühling, Carl von Kraus, der das Corpus der echten Lieder auf das wenige zum Kreuzleich Stimmende beschränkt hatte, ist man heute geneigt, H. eine größere Vielfalt formaler Variation und inhaltlicher Aussage zuzugestehen. Die auffällige Vermischung gerade mit den Liedern Reinmars ließe sich anders kaum erklären. Die Erwähnung seines Namens in Literaturkatalogen späterer Dichter (Gliers, Marner, Brennenberg, →Heinrich von dem Türlin) bezieht sich gewiß nicht auf den abseits überlieferten Kreuzleich, sondern wird auf einem moderneren Zeitgeschmack angepaßte Minnelieder zurückgehen.



M105: Heinrich von Rugge: Heiliggrableich


I.
Ein tvmber man iv hat
gegeben disen wisen rat.
dvr daz man in ze gvote schol vernemen.
Ir wisen merchent in.
daz wirt iv ein vil groz gewin.
swer in verstat.
so ist min rat.
noch wiser denne ich selbe bin.
Min tvmbes mannes mvnt.
der tvt iv allen gerne chvnt.
Wi ez vmbe gotes wnder ist getan.
des ist mere danne vil
swer ime nieht gerne dienen wil
der ist verlorn
wan sin zorn
mvz vober in vil harte ergan.

II.

Nu horent wises mannes wort.
von tumbes mannes mvnde.
ez wrde ein langer wendi wernder hort.
swer got nv dienen chvnde.
daz ware gvt. un ovch minen rat.
daz [wiz]zent algeliche.
Vil maneger dr umbe enphagen hat.
[d]az ಎone himelriche.

III.

Alse miuzen wir ia teil ic‹h› mir.
die selbe‹n› s[al]ec‹h›[eit].
obe ich gedienen chan dar nach.
div genade ist mir ge‹r›et‹e›.
‹o›be ich uerbir die bloden gir.
die noch min herze treit.
so [wirt] [mir] hin ze den froweden gach.
da uon man wnder se‹it›.

IV.

Nu s[int] uns starchiv mare chomen.
die habent ir ‹a›lle. wol [vernomen]
nv wnschent algeliche.
heilis vmbe den richen got.
wande er rewlte sin gebot.
a me keiser Frideriche.

V.

daz wir geniezen mivzen sin
des er gedienet hat.
vnde ander manege bilgerin
der dinch uil schone stat.
der sele div ist uor got schin.
der niemer si uerlat.
der selbe sedel ist vns allen ueil.
Swer in nu kovfet an der zit.
daz ist ein salecheit.
sit got svze marke git
ia uinden wir gereit.
lediclichen. ane strit.
groz liep ane allez leit.
nv werbent nach dem wneclicheme heile.

VI.

Nu horet man der livte uil.
ir friwnde sere clagen
ze ware ich iv dar vmbe wil
ein ander mare sagen.
minen rat ich nieman hile.
ia svn wir nieht uerzagen.
unser leit daz ist ir spile.
wir mugen wol stille dagen.

VII.

Swer si weinet der st ein kint.
daz wir niet sin da si da sint.
daz ist ein schade. den wir michels gerner movhten weinen.
diz kurze leben daz ist ein wint.
wir sin mit sehenden ovgen blint.
daz wir nu got. uon herzen niet mit rehten triwen meinen.

VII b.

Ir dinch nach grozen eren stat.
ir salec sele enphangen hat.
sunder strit. un ane nit. die liehten himelkrone.
wie saleclichen z deme ergat den er
den stul besizen lat.
un ime da git nu ze aller zit. nach wnneclichem lone.

VII c.

gehabent iv stolce helde wol.
er st salec der da sterben sol.
da got erstarp do er warf. daz heile der cristenheit.
div helle div ist ein biter hol.
daz himelrich genaden uol.
nv volgent mir. so werbent ir. daz man iv dar uerleitit.

VIII.

Der tivfel hvob den selben spot.
enslafen was der riche got.
dvr daz wir brachen sin gebot.
in hat sin genade erwechet.
wir waren lazen vnderwegen
nu wil er unser selbe flegen.
er hat uil manegen stolcen degen.
die bosen sint erschrehet.

VIII b.

Vil maneger nach der werlte strebet.
deme si doch bosez ende git.
un nieman weiz wie lange er lebet
daz ist ein miche[l] not.
Ich rate iv dar ich sel‹b›e wil.
nv nement daz chrvce un uarent da ‹h›[[n]]e.
[d]‹a›z wirt iv ein uil groze gewin.
vnde furhtent n‹ie›ht den tot.

VIII c.

Der tumbe man von ruge hat
gegeben disen wisen rat.
ist ieman der in nv verstat.
ieht anders wan ze gvote.
den riwet so der schade erg[a]t.
daz ime der groz missetat
nieman necheinen wandel hat.
ze spate ist der s behvot.
Diz ist ein leich [vo]‹n› deme heiligen grabe.

IX.

Swer nu daz chruce nimet
wie wol daz helden cimit.
daz chvmt uon mannes muote.
got der gvote in siner hvote
ze allen zit hat.
der niemer si verlat

X.

so sprichet lihte ein boser man.
der herze nie gewan.
“wir sun hie heime vil sa[nf]te beliben.
die zit wol uertriben vil schone mit wiben.”

X b.

So sprichet div ‹de›[r] er da gert.
“gespile er ist nieht pastes wert.
waz schol er danne ze frivntschefte minnen.
uil gerne ich in uerbir.” “trut gespil daz rat ich dir.”

X c.

fiv daz er ie wart geborn.
nv hat er beidinthalb ferlorn.
wande er uorthe daz got ime geb[ot]
[d]vrch in ze liden die not vnd den tot.



Heiliggrableich

I.
Ein dummer Mann hat euch diesen weisen Rat gegeben: dafür, dass man ihn im guten Sinne vernehmen soll. Ihr Weisen, versteht ihn: das wird für euch ein sehr großer Gewinn sein. Wenn ihn irgendjemand versteht, dann ist mein Rat noch weiser als ich selber. Der Mund von mir dummem Mann tut euch allen gerne kund, wie es um Gottes Wunder bestellt ist, das ist mehr als viel. Wer auch immer Ihm nicht gerne dienen will, der ist verloren, denn Sein Zorn wird sehr heftig über ihn kommen.

II.
Nun hört das Wort des Weisen aus dem Mund des Dummen. Es würde ein lang währender Schatz demjenigen, der Gott nun dienen könne. Das wäre gut und auch mein Rat, das wisset alle zu gleichen Teilen. Deswegen haben viele das heilige Himmelreich empfangen.

III.
Genauso müssen wir es. Ich erlange die selbe Seligkeit. Wenn ich auf diese Weise dienen kann, ist mir die Gnade bereitet. Wenn ich die schwächliche Gier überwinde, die mein Herz noch trägt, dann erlange ich rasch die Freuden, von denen man sich Wunder erzählt.

IV.
Nun wurden uns wichtige Nachrichten zugetragen, die ihr alle gut vernommen habt. Nun wünscht alle zu gleichen Teilen Heil vom mächtigen Gott - weil er sein Gebot am Kaiser Friedrich erfüllt hat-:

V.
Dass wir von Ihm Nutzen haben müssen, dem er gedient hat, und viele andere Pilger, deren Angelegenheit so wunderbar steht; deren Seele leuchtet vor Gott, der sie nie verlässt: der selbe Platz steht für uns alle zum Kauf frei. Wenn ihn jetzt jemand rechtzeitig kauft, dann ist das eine Seligkeit, weil Gott das süße Himmelreich gibt: so finden wir frei von allem Streit große Liebe ohne jedes Leid bereitet. Jetzt bemüht euch um das wunderbare Heil.

VI.
Nun hört man viele Leute {oder: die Leute oft} wegen ihrer Freunde klagen. Wahrhaftig will ich euch deshalb eine andere Geschichte erzählen. Meinen Rat verberge ich vor niemandem: Wir sollen nicht verzagen. Unser Leid ist ihr Spiel, wir sollen gut stillschweigen.

VII.
Wer auch immer sie beweint, der ist ein Kind. Dass wir nicht da sind, wo sie sind, das ist ein Schaden, den wir viel lieber beweinen dürfen. Dieses kurze Leben ist ein Wind. Wir sind mit sehenden Augen blind, dass wir jetzt nicht von Herzen an Gott mit rechter Treue glauben.

VII b.
Sie strebten nach großen Ehren, ihre heilige Seele hat ohne Streit und ohne Missgunst die strahlende Himmelskrone empfangen. Wie selig es dem ergeht, den er den Platz besitzen lässt und ihm zu aller Zeit beinahe wundervollen Lohn gibt.

VII c.
Gehabt euch wohl, stolze Helden, der ist selig, der da sterben muss, als Gott starb, erwarb er das Heil der Christenheit. Die Hölle ist ein finsteres Loch, das Himmelreich ist voller Gnaden. Jetzt folgt mir, so bemüht ihr euch darum (oder: dann erwerbt ihr damit,) dass man euch dorthin leite.

VIII.
Der Teufel begann den gleichen Spott, der liebe Gott war eingeschlafen, deshalb brachen wir sein Gebot. Seine Gnade hat ihn geweckt. Wir waren träge unterwegs, nun will er sich selber um uns kümmern. Er hat sehr viele stolze Kämpfer: die Bösen sind erschrocken.

VIII b.
So mancher strebt nach der Welt, dem sie doch ein böses Ende bereitet, und niemand weiß, wie lange er lebt: Das ist eine große Not. Ich rate euch, weil ich das selbe will: Jetzt nehmt das Kreuz und fahrt dahin (-> in den Kreuzzug oder in den Tod!), das wird euch ein dehr großer Gewinn, und fürchtet den Tod nicht.

VIII c.
Der dumme Herr von Rugge hat euch diesen weisen Rat gegeben. Ist jemand, der ihn nun versteht, irgendetwas ausser dem Guten zugewandt, den bedauert, weil der Schaden entsteht, dass ihm diese große Missetat niemand rückgängig macht, zu spät ist er davor auf der Hut.

Dies ist ein Leich vom heiligen Grab.

IX.
Wer auch immer nun das Kreuz nimmt - wie gut das einem Helden steht! Das kommt von der Kraft des Mannes. Der gute Gott hat sie zu jeder Zeit in seinem Schutz, er wird sie nie verlassen.

X.
So spricht ein böser Mann, der nie ein Herz gewann, leicht: "Wir sollen hier gemütlich zu Hause bleiben, und die Zeit sehr schön mit Frauen vertreiben."

X b.
So spricht die, die er da begehrt: "Gespielin/Spielgefährtin, er ist nicht das Geringste wert. Warum soll er denn mit mir befreundet sein? Sehr gern verberge ich mich vor ihm." "Traute Gespielin/Spielgefährtin, das rat ich dir."
-> diese Übersetzung mit zwei Frauen im Dialog ist ebenso möglich wie ein Monolog einer einzelnen Frau

X c.
Pfui, dass er je geboren wurde! Jetzt hat er auf beiden Seiten (-> sowohl Gott als auch die Frauen) verloren, weil er fürchtete, dass Gott ihm gebieten würde, durch ihn Not und Tod zu erleiden.
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Re: Texte und Dichter

Beitrag von Wilhelm von Baumgarten » Mi Jul 18, 2018 2:03 pm

Col de Niuzen

Der Sänger stammte wahrscheinlich aus dem heute abgekommenen Ort Neunzen (am Truppenübungsplatz Allentsteig) und stand als ritterlicher Gefolgsmann im Dienste des Zisterzienserstifts Zwettl. Seine Lieder stammen aus der Zeit von 1230 bis 1250. Viele seiner oft erotischen Texte sind auch unter dem Namen anderer Sänger überliefert sodaß die Urheberschaft unklar bleibt.



Nu jârlanc stêt vil hô mîn muot (KLD 29.I)


Nu jârlanc stêt vil hô mîn muot;
ich hôrt den süezen sanc
von einer swalwen dâ si flouc,
ir stimme diu was guot.

'frou magt, het iuch in eim holz,
daz naeme ich für den kranz,
den ir zesamne habt gelesen
von manger hande bluot'.

"knappe, lât iur wünschen stân,
diu rede ist gar verlorn:
sold ich mit iu ze holze gân,
mich staeche lîhte ein dorn;
sô slüege mich diu muoter mîn,
daz waer mir lîhte zorn."

Er nam si bî der wîzen hant,
er furtes in den walt,
dâ sungen kleiniu vogelîn
ir stimme manicvalt,

undr eine grüene linde breit
einen smalen stîc.
dâ wart diu maget vil gemeit
ein alsô schoene wîp.

er leites an daz grüene gras
die maget wol geborn.
in weiz waz brieves er ir las.
was daz ir wênig zorn,
daz wart harte schier versuont:
daz tet der liebe dorn.


Übersetzung:



Hoch war mein Verlangen das ganze Jahr;
ich hörte den süßen Gesang
einer Schwalbe die da flog, i
hre Stimme die war gut.

Frau Magd, hätte ich euch im Holz,
so würde ich nehmen euren Kranz
den ihr zusammen habt gelesen
mit mancher blütg`er Hand. (gemeint ist ein handgemachter Blütenkranz = Freudenkranz = erotisches Symbol)

"Knappe lasst eure Wünsche sein,
eure Rede ist gar verloren !
Sollte ich mit euch ins Holze gehen,
mich stäche sicherlich ein Dorn. (Metapher für das männliche Geschlecht)
so schlüge meine Mutter mich,
sicher wäre (mir) ihr Zorn."

Er nahm sie bei der weißen Hand,
er führte sie in den Wald
da sangen kleine Vögelein
mit Stimmen manigfalt`.

Unter einer breiten grüne Linde
war ein schmaler Steig.
da war die Magd gemacht (eigentlich recht eindeutig)
zu einem schönen Weib.

Er legte in das grüne Gras
das Mädchen wohlgebor'n,
in welchem Brevier er ihr auch las
es erregte wenig Zorn.
Sie war schnell versöhnt,
das tat der Liebe Dorn !



Der Col ist wohl ein Verwandter vom Spanier gewesen !
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Re: Texte und Dichter

Beitrag von Wilhelm von Baumgarten » Do Jul 19, 2018 3:11 pm

(DER WILDE) ALEXANDER


Die Forschung ortet den "Wilden Alexander" aufgrund sprachlicher Eigenheiten als süddeutschen oder Schweizer Dichter des auslaufenden 13. Jahrhunderts. Warum der auch als "Meister Alexander" bekannte Sänger den Beinamen „Der Wilde“ bekommen hat, lässt sich aus seiner Dichtung und Musik jedenfalls nicht erklären. In der Miniatur der Manessischen Liederhandschrift ist er zwar als ungestümer Reiter im roten Gewande dargestellt, seine Werke weisen ihn aber als sensiblen Denker mit großem Hang zur Poesie aus – ein Eindruck, der sich in den herrlichen Melodien bestätigt, die in der Jenaer Liederhandschrift überliefert sind.

Hier besinnt sich einer in Zeiten, als Walther schon das Ideal der Hohen Minne problematisiert hatte und Neidhart den Weg zur Minne-Persiflage geöffnet hatte, auf die sehnsuchtsvolle Melancholie der Frühphase des Sangs, ohne allerdings in den Klischees der Gründergeneration zu verharren. Sein Schaffen, das uns mit einem Leich und drei Liedern in der Manesse und mit zusätzlichem Material in der Jenaer Handschrift überliefert ist, ist hochoriginell.

Er dichtet gekonnt am Schnittpunkt zwischen Minne- und Spruchgesang, beschwört mit seinem auch „Erdbeerlied“ genanntem „Hie bevor dô wir kinder waren“ die unbeschwerte, aber auch gefährliche Zeit des erotischen Erwachens herauf. Mit „Do durch der werlde“ schreibt er eine sprachmächtige Rechtfertigung des fahrenden Sängertums und höfischen Mäzenatentums: Das Dichten und Singen sei aufgrund der Sünden der Welt von den Königen herabgestiegen zu den fahrenden Sängern aus dem niederen Volk. Die hohen Herren sind deshalb aufgefordert, die Sänger und Musikanten zu fördern und zu unterstützen, solange die Kunst nicht wieder den Rückweg nach oben antritt, dass sie selber musizieren und tanzen wie einst König David.

Im Frühlingslied „Der meie ist kommen gar wunneklich“, das leider nur in der Manesse und deshalb ohne Melodie überliefert ist, greift er dann das umstrittene Bild Reinmars von Hagenau auf, der seine Herrin mit dem „Ostertag“ vergleicht. Im Gegensatz zu Walther von der Vogelweide, der dieses Bild scharf verurteilt und verspottet hatte, bezieht sich Alexander zustimmend darauf. Seine Herrin soll ihm stets der Ostertag sein, denn ihr Leib ist Balsam, sie heilt wie der Maienduft das liebeskranke Herz. Dazwischen tönt der Schall der Nachtigall, eben ganz wie in den frühen, großen Tagen des Sanges von der Hohen Minne.

Das Lied "Owê daz nach liebe ergat" wäre in seiner unendlichen Schwermut ebenfalls eines Reinmars würdig. Der Sänger und die von ihm angebetete Dame leiden aneinander auf unauflösbare Weise. Wie schon Walther vor ihm personifiziert der „Wilde Alexander“ hier die Minne, sie greift hier als „böses Wesen“ ein, das seinen Tribut fordert: Wer ihr verfällt, muss sich ganz hingeben, muss sich unter Schmerzen der (höfischen) Gesellschaft entgegenstellen und darf dabei auch den Tod nicht scheuen. Eine derartige Herausstellung der dunklen Liebesmacht findet man im auslaufenden 13. Jahrhundert nur noch selten. Schön ist, dass uns in der Jenaer Liederhandschrift eine Melodie überliefert ist, die die sehnsuchtsvolle Düsternis des Textes effektvoll unterstreicht. Das Lied hat leider bislang kaum Eingang ins Minnesang-Repertoire gefunden (Ausnahmen: Jochen Faulhammer, I Ciarlatani). Das ist schade, weil es auf geradezu exemplarische Weise die Gattung der tieftraurigen Minneklage zum Endpunkt bringt!

Der "Wilde Alexander" hat mit "Syon Trure" und "Herre got" auch geistliche Lieder hinterlassen. Eigentlich also ein feinsinnige, eher nach innen gekehrter Mann - der sich nach all der Besinnlichkeit vielleicht zwischendurch mal auf seinem Pferd austoben musste.

Lebensdaten:
Sprachlich deuten die Lieder auf alemannische oder Schweizer Herkunft des "Wilden Alexanders" hin. Die zeitliche Bestimmung wird vor allem aufgrund eines Sangspruchs vorgenommen, in dem er die die Hochzeit zwischen König Wilhelm von Holland und Elisabeth (Tochter des Ottos von Braunschweig) rühmt (1252): Die "Taube aus Braunschweig" habe Elbe und Rhein in Liebe verbunden. Er wird als fahrender Sänger eingeschätzt; ob er auch zum niederen Adel gehört, ist umstritten. Seine Sprache und Poesie, aber auch seine Hinweise auf die Antike deuten auf einen hohen Bildungsgrad hin.

Überliefertes Notenmaterial:

Fünf Töne für Sangsprüche und Minnelieder in der Jenaer Liederhandschrift:

- Eyn wunder in der werlde vert (Text auch in der Manesse) (Hauptton mit vielen Strophen, darunter auch "Do durch der werlde")
- Syon trure (nur in der Jenaer Handschrift)
- Hie bevorn do wir kynder waren (Text auch in der Manesse)
- Owe daz nach liebe gat (Text auch in der Manesse)
- Myn trurichlichez klagen (Text auch in der Manesse)


LIEDBEISPIEL VOM "WILDEN ALEXANDER"


"Toete mich und lâ si leben!
"nein, ich enwil", sprach minne,
"ich wil mînen schiltgeverten geben
verlust und ouch gewinne.
Alsô stêt an dem brieve min,
daz ich minne niht enhieze,
ob ich unversêret lieze
zwei, die lieb einander sîn."

Mir waere ein jâr alsam ein tac,
sô wir ensament waeren.
Mîner sorge wurde ein slac
mit schimpflichen maeren
beide stille und offenbar.
des muoz ich vil dicke trûren
bî froelichen nâhgebûren,
des ist mir ein tac ein jâr.


"Töte mich und lass sie leben!”
“Nein!”, rief laut Frau Minne.
“Wer mir folgt, muss alles geben,
Seele, Herz und Sinne.
Heiß soll euch mein Siegel brennen,
Weil ich niemals Minne hieße,
Wenn ich ohne Schmerz entließe
Die, die liebend sich erkennen!”

Ach ein Jahr wär’ wie ein Tag,
Wenn wir uns nur fänden.
Dann könnt’ sich auf einen Schlag
Alles, alles wenden.
Doch mir bleibt ja offenbar
Nichts als Trauer hier auf Erden.
Jetzt, wo alle fröhlich werden,
Wird ein Tag mir wie ein Jahr.
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